May amnesia never kiss us on the mouth
Die Ausstellung May amnesia never kiss us on the mouth der Künstler*innen Basel Abbas und Ruanne Abou-Rahme (leben und arbeiten in New York und Ramallah) setzt sich mit Fragen zur Aufbewahrung von Erinnerung auseinander. Im Fokus steht hierbei, wie Erfahrungen von Gewalt, Verlust, Vertreibung und erzwungener Migration durch Performance bezeugt und erzählt werden können. In ihren Arbeiten setzen sich die Künstler*innen kontinuierlich mit verschiedenen Formen von Widerstand und deren poetischer Manifestation durch Tanz, Musik und Sprache auseinander. Die zwei raumfüllenden Installationen May amnesia never kiss us on the mouth: Only sounds that tremble through us (2020-22) und Where the soil has been disturbed (2022) im ersten Stock des Museums nehmen diese Ausdrucksweisen auf und eröffnen den Besucher*innen eine neue Perspektive darauf, wie Erfahrungen von Leid und die Äusserung von Widerstand aus arabischsprachigen Kontexten vermittelt, archiviert und bewahrt werden können.
Bei den gezeigten Arbeiten handelt es sich zum einen um eine Mehrkanal-Video- und Soundarbeit, die grösstenteils auf Filmmaterial und geschriebenen Texten der Künstler*innen basiert, sowie um neue Performances, die mit den Musiker*innen Makimakkuk, Haykal, Julmud und der Tänzerin Rima Baransi aus Ramallah entwickelt wurden. Darüber hinaus befasst sich die immersive Arbeit May amnesia never kiss us on the mouth: Only sounds that tremble through us (2020-22) mit Trauer und übersehenen Formen des Widerstands in alltäglichen Praktiken. Die Arbeit Where the soil has been disturbed (2022) zum anderen zeigt fotografisch festgehaltene Szenen und getrocknete Pflanzen aus Palästina, die Verlust und Resilienz in ihren verschiedenen Formen darstellen. Das Archiv der Künstler*innen, das aus gefundenen Videoclips, eigenen Aufnahmen, geschriebenen und gesprochenen Geschichten und gesammelten Objekten besteht, bildet die Grundlage für die Arbeit. Die archivierten Erinnerungen, die Abbas und Abou-Rahme in und um Palästina, Irak, Syrien und Jemen sowohl im realen als auch im digitalen Raum aufgespürt und aufgezeichnet haben, enthalten Gesang, Tanz, Performance sowie Ausdrucksformen des Protests. Gemeinsam bilden sie körperliche Manifestationen eines kollektiven Gedächtnisses, die gegen die Auslöschung von marginalisierten Gemeinschaften im arabischsprachigen Kontext aufbegehren und den Anspruch auf geografische Existenzberechtigung, politische Selbstbestimmung und das Zusammenleben in Gemeinschaft erheben. Die individuellen und kollektiven Erinnerungen leben im Werk von Abbas und Abou-Rahme weiter und werden als Gegenentwürfe zu kolonialen sowie kapitalistischen Narrativen und Diskursen des Westens wirksam.
Der Ausstellungstitel May amnesia never kiss us on the mouth (dt. Möge uns das Vergessen nie auf den Mund küssen) kann infolgedessen als Mahnung oder Appell gelesen werden, sich dem Vergessen und der Unsichtbarmachung von Geschichten zu widersetzen. Mit der Ausstellung arbeiten die Künstler*innen gegen eine systematische, von politischen Machtsystemen gestützte Verdrängung.
May amnesia never kiss us on the mouth is co-commissioned by the Museum of Modern Art, New York, and Dia Art Foundation, New York.
Kurator: Dr. Michael Birchall, Kurator, Migros Museum für Gegenwartskunst
Kuratorische Assistenz: Joel Spiegelberg, Volontär, Migros Museum für Gegenwartskunst
Written by Zero Zurich