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dom 17.06 2018

Missionen der Schönheit

Dove

Schauspielhaus Pfauen
Rämistrasse, 8001 Zurich

Quando

domenica 17 giugno 2018
H 20:30

Quanto

30.00 CHF

von Sibylle Berg

Holofernesmomente
Close Up
Festspiele Zürich

Regie Salome Schneebeli, Heta Multanen / Musik Jojo Büld
Mit Lisa-Katrina Mayer

Judit ist das alttestamentarische Symbol der schönen und reinen jungen Frau, die im Kontext einer männlich geprägten Geschichtsschreibung als Witwe jeglicher Zukunftsperspektive und Status entbehrt und ihr von Belagerung und Barbarei bedrohtes Volk zu erlösen versucht, indem sie sich ins Lager des rücksichtslosen und gefürchteten Feldherrn Holofernes einschleicht, ihn verführt und ihn im volltrunkenen Schlaf enthauptet, woraufhin sie als Hand Gottes ihr Volk befreit und als Erlöserin und Heilige gefeiert wird.

Judit in Sibylle Bergs „Missionen der Schönheit“ ist 12 und lebt in Brüssel, sie ist 18 und lebt in Berlin, 23 in Kinshasa, 30 in Kiew, 38 in São Paulo, 40 in Neapel, 54 in Johannesburg und 75 in Betulia. All diese Frauenfiguren, die auf den ersten Blick in keiner Beziehung zueinander stehen arbeiten sich ab, an den Rollenzuschreibungen unserer Gesellschaft, die Mädchen und Frauen bis heute allzu tief eingeprägt sind. In der Geschichte der Welt haben Männer die Macht und Frauen die Schönheit inne. Wie gehen wir damit um? Was geschieht, wenn Schönheit als Machtmittel eingesetzt wird, wenn das Wissen um den eigenen Körper als Projektionsfläche, und das sich der männlichen Beurteilungsmatrix bewusste Zur-Verfügung-Stellen, sowie Bedienen eines Voyeurismus sich verselbstständigen?

Wir begegnen Frauenfiguren, die sich auszeichnen durch ihre Kraft und Stärke, ihren Humor und der Fähigkeit zur bedingungslosen Liebe; die gleichzeitig aber auch tief verunsichert sind, durch ein vermeintlich mangelhaftes Äußeres, unfähig den Selbstwert von optischen Makeln oder verfallender Schönheit abzukoppeln, und die auf der fortwährenden Suche nach Selbstoptimierung bereit zur physischen wie psychischen Selbstzerstörung sind.

Der religiöse Fanatismus, der die Protagonistin in der Bibel antreibt und unweigerlich Assoziationen zu terroristischen Akteuren der Gegenwart aufdrängt, äussert sich bei Bergs Figuren als Fanatismus im Kampf gegen das eigene Selbst, oder die Sehnsucht sich davon abzulösen. Es zerbricht zwischen dem erfüllen Wollen der gesellschaftlichen Erwartungen, dem bedienen Wollen eines Frauenbildes, das von außen eingefordert wird und gleichzeitig der Sehnsucht nach Liebe und Anerkennung, der Angst vor der eigenen Kraft und dem Wunsch sich von alledem endlich frei machen zu können.

Die Choreografin Salome Schneebeli, die Videokünstlerin Heta Multanen und die Schauspielerin Lisa-Katrina Mayer näheren sich diesem feministischen Text in einem interdisziplinären Arbeitsprozess, der zeitgenössischen Tanz, Video, Livemusik und Schauspiel umfasst.

Inspiriert von der Auseinandersetzung der Musik- und Kunsthistorik mit dem Mythos Judit erkunden die drei Künstlerinnen ausgehend von Körper- und Textarbeit die acht Protagonistinnen und übertragen deren Themen gleichzeitig auch auf die Lebens- und Arbeitsrealität der Performerin selbst. Die ist immer zuallererst Projektionsfläche und kann sich überhaupt erst durch den Blick des Zuschauers als Figur definieren. Sie generiert den kreativen Antrieb stets aus sich selbst und auch wenn sie sich ganz und gar einem Text, einer Figur und Geschichte zur Verfügung stellt, wenn sie Wege sucht, die Performerin von der Bühnenfigur abzukoppeln – wird sie dennoch immer sie selbst bleiben, der Körper den wir sehen, bleibt der Körper den wir sehen – und trotzdem vermag er sich doch fortwährend zu verwandeln.

Scritto da Zero Zurich