Programm:
18 – 18:30 Uhr
Begrüssung und Einführungen in die Ausstellungen „Basel Abbas & Ruanne Abou-Rahme. May amnesia never kiss us on the mouth“ durch Kurator Dr. Michael Birchall und „Aus den Fugen – Momente der Störung 2. Sammlung Migros Museum für Gegenwartskunst“ durch Kuratorin Nadia Schneider Willen, DE/EN, Museum EG
18 – 20 Uhr
Drop-in Workshop für Klein und Gross, Atelier UG
Ab 21 Uhr
Dj-Set mit Performer*innen Haykal, Makimakkuk, Julmud, Bar & Food auf der Rampe, Löwenbräukunst
Im Bar und Food-Betrieb wird aus organisatorischen Gründen ausschliesslich Kartenzahlung akzeptiert.
BASEL ABBAS & RUANNE ABOU-RAHME
May amnesia never kiss us on the mouth
Die Ausstellung May amnesia never kiss us on the mouth der Künstler*innen Basel Abbas und Ruanne Abou-Rahme (leben und arbeiten in New York und Ramallah) setzt sich mit Fragen zur Aufbewahrung von Erinnerung auseinander. Im Fokus steht hierbei, wie Erfahrungen von Gewalt, Verlust, Vertreibung und erzwungener Migration durch Performance bezeugt und erzählt werden können. In ihren Arbeiten setzen sich die Künstler*innen kontinuierlich mit verschiedenen Formen von Widerstand und deren poetischer Manifestation durch Tanz, Musik und Sprache auseinander. Die zwei raumfüllenden Installationen May amnesia never kiss us on the mouth: Only sounds that tremble through us (2020-22) und Where the soil has been disturbed (2022) im ersten Stock des Museums nehmen diese Ausdrucksweisen auf und eröffnen den Besucher*innen eine neue Perspektive darauf, wie Erfahrungen von Leid und die Äusserung von Widerstand aus arabischsprachigen Kontexten vermittelt, archiviert und bewahrt werden können.
Bei den gezeigten Arbeiten handelt es sich zum einen um eine Mehrkanal-Video- und Soundarbeit, die grösstenteils auf Filmmaterial und geschriebenen Texten der Künstler*innen basiert, sowie um neue Performances, die mit den Musiker*innen Makimakkuk, Haykal, Julmud und der Tänzerin Rima Baransi aus Ramallah entwickelt wurden. Darüber hinaus befasst sich die immersive Arbeit May amnesia never kiss us on the mouth: Only sounds that tremble through us (2020-22) mit Trauer und übersehenen Formen des Widerstands in alltäglichen Praktiken. Die Arbeit Where the soil has been disturbed (2022) zum anderen zeigt fotografisch festgehaltene Szenen und getrocknete Pflanzen aus Palästina, die Verlust und Resilienz in ihren verschiedenen Formen darstellen. Das Archiv der Künstler*innen, das aus gefundenen Videoclips, eigenen Aufnahmen, geschriebenen und gesprochenen Geschichten und gesammelten Objekten besteht, bildet die Grundlage für die Arbeit. Die archivierten Erinnerungen, die Abbas und Abou-Rahme in und um Palästina, Irak, Syrien und Jemen sowohl im realen als auch im digitalen Raum aufgespürt und aufgezeichnet haben, enthalten Gesang, Tanz, Performance sowie Ausdrucksformen des Protests. Gemeinsam bilden sie körperliche Manifestationen eines kollektiven Gedächtnisses, die gegen die Auslöschung von marginalisierten Gemeinschaften im arabischsprachigen Kontext aufbegehren und den Anspruch auf geografische Existenzberechtigung, politische Selbstbestimmung und das Zusammenleben in Gemeinschaft erheben. Die individuellen und kollektiven Erinnerungen leben im Werk von Abbas und Abou-Rahme weiter und werden als Gegenentwürfe zu kolonialen sowie kapitalistischen Narrativen und Diskursen des Westens wirksam.
Der Ausstellungstitel May amnesia never kiss us on the mouth (dt. Möge uns das Vergessen nie auf den Mund küssen) kann infolgedessen als Mahnung oder Appell gelesen werden, sich dem Vergessen und der Unsichtbarmachung von Geschichten zu widersetzen. Mit der Ausstellung arbeiten die Künstler*innen gegen eine systematische, von politischen Machtsystemen gestützte Verdrängung.
May amnesia never kiss us on the mouth is co-commissioned by the Museum of Modern Art, New York, and Dia Art Foundation, New York.
Kurator: Dr. Michael Birchall, Kurator, Migros Museum für Gegenwartskunst
Kuratorische Assistenz: Joel Spiegelberg, Volontär, Migros Museum für Gegenwartskunst
AUS DEN FUGEN – MOMENTE DER STÖRUNG 2
Sammlung Migros Museum für Gegenwartskunst
Julie Becker, Monica Bonvicini, Maurizio Cattelan, Anne-Lise Coste, Hanne Darboven, Sylvie Fleury, Florian Germann, Gianni Motti, Juan Muñoz, Ugo Rondinone, Michael Smith, Paul Thek, Nora Turato
Wie prägen Störungen unser Verhältnis zur Welt? Diese Frage stellt die zweiteilige Ausstellung Aus den Fugen – Momente der Störung anhand verschiedener Arbeiten aus der Sammlung des Museums. Störungen können als leises Knirschen den Normalverlauf unseres Alltags kurzzeitig zum Stocken bringen, aber auch dramatisch und radikal in unsere Realität einbrechen. Sie können die Ordnung von Gesellschaften, Systemen und Institutionen auf die Probe stellen und deren Funktionsweisen offenlegen, wobei gezielte Störversuche oft mit Kritik verbunden sind. Vielfältig in der Form, sind Störungen nicht zuletzt auch imstande, unsere Wahrnehmung zu manipulieren, Bedeutungen zu verschieben und Überzeugungen infrage zu stellen.
Eine zentrale Rolle spielt diese Destabilisierung unserer Wahrnehmung von Realität und Wahrheit im zweiten Teil der Ausstellung. Mehrere Arbeiten beleuchten hier, wie diese Begriffe durch bewusst konstruierte Zusammenhänge und Narrative ins Wanken geraten können. So verarbeitet die Künstlerin Julie Becker in ihrer Arbeit den Mythos einer verdeckten Beziehung zwischen dem Album The Dark Side of the Moon (1973) von Pink Floyd und dem Film Der Zauberer von Oz (1939). Indem Becker erfahrbar macht, wie das Album einen geheimen Soundtrack zum Film darstellen könnte, befragt sie auch die Mechanismen solcher Mythenbildung. Bei Hanne Darboven und Paul Thek zeigt sich in den Werken selbst eine komplexe Verknüpfung von Themen aus gesellschaftlichen und kulturellen Kontexten, die eine eigene verschachtelte Wahrheit zu behaupten scheint. Arbeiten wie diese lassen uns darüber nachdenken, wie wir selbst den Wahrheitsbegriff fassen und ihn individuell wie sozial aushandeln.
Zudem beleuchtet die Ausstellung Störungsszenarien, die als Reaktion auf das Weltgeschehen entstehen oder im Bereich der Fiktion – etwa in Film oder Literatur – entworfen werden. Mit satirischen Mitteln behandelt beispielsweise die zwischen 1983 und 1985 entstandene Arbeit von Michael Smith die Gefahr einer nuklearen Katastrophe, die besonders zur Zeit des Kalten Kriegs eine reale Bedrohung darstellte. Aber auch rein imaginäre Störungsszenarien können sich gesellschaftlich auswirken, indem sie unsere Interpretation der Realität prägen. Eine bedrohliche Stimmung geht auch von Monica Bonvicinis Installation und den Skulpturen von Juan Muñoz aus; beide deformieren uns vertraute architektonische Strukturen. Hier hängen Widerstand und Wut, Verletzlichkeit und Zerfall eng miteinander zusammen. Darüber hinaus sind in der Ausstellung Arbeiten zu sehen, die sich mit expliziten Figuren der Störung beschäftigen: Während Ugo Rondinones Arbeit vom Clown ausgeht, der an bestehenden Verhältnissen Kritik übt und gesellschaftliche Ängste demaskiert, greift Florian Germann das Phänomen des Poltergeistes auf, der angeblich Menschen heimsucht und schikaniert.
Wie schon im ersten Teil sind auch hier die Kunst und ihr Bezug zur Störung von Bedeutung. Kunst reflektiert das Gesellschaftliche nicht von ausserhalb, sondern aus ihrem Eingebundensein heraus, wobei Künstler*innen den Status Quo kritisieren, Konventionen unterlaufen sowie neue Perspektiven und Möglichkeitsräume aufzeigen können. Kunst und Störung sind eng miteinander verwandt – beide konfrontieren uns mit der eigenen Wahrnehmung und unserem individuellen wie gesellschaftlichen Selbstbild.
Kuratorin: Nadia Schneider Willen, Sammlungskonsveratorin, Migros Museum für Gegenwartskunst
Kuratorische Assistenz: Viktor Hömpler, Kuratorische Assistenz / Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Migros Museum für Gegenwartskunst
Scritto da Zero Zurich