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Sa 08.12 2018 – So 03.02 2019

Wang Bing - Heji Shin

Wo

Kunsthalle Zürich
Limmatstrasse, 8005 Zuric Zurich

Wann

Samstag 08 Dezember 2018 – Sonntag 03 Februar 2019

Wie viel

8.00 - 20.00 CHF

Wang Bing spricht am 8. Dezember 2018, um 11.30 Uhr, über seine Filme.

Wang Bing gehört zu den wichtigsten Dokumentarfilmern der Gegenwart. Er ist bekannt für seine epischen Filme, welche der Arbeitswelt, dem Alltag, den Zwängen und Möglichkeiten der Menschen gewidmet sind. Seine Filme entstehen in China und werden vorwiegend im Westen an Festivals (Venedig Film Festival, Locarno Film Festival u.a.) aufgeführt, aber auch an Biennalen (documenta 14, Kassel), in Galerien (Chantal Crousel, Paris) und Museen (Centre Georges Pompidou, Paris).

In der Kunsthalle Zürich zeigt Bing die zwei Filme Mrs. Fang (Fang Xiu Ying, 86 min., 2017, Goldener Leopard 2017) und Man with No Name (Wu ming zhe, 97 min., 2009). In beiden Filmen steht ein Individuum mit seiner fragilen Körperlichkeit im Zentrum. Bing folgt Mrs. Fang und dem Mann ohne Namen mit hartnäckigem Respekt und aus grosser Nähe. Seine Filme sind von Balanceakten der Intimität geprägt, die einem harten Realismus verpflichtet sind. Daraus sind in diesem Fall zwei Porträts entstanden, die uns ebenso lehren, wie auch herausfordern. Beide Filme werden in Kunsthalle Zürich täglich zwei Mal und je abwechslungsweise gezeigt:

Mrs. Fang (Fang Xiu Ying, 86 min., 2017, mit englischen Untertiteln)
11:10 – 12:40
12:50 – 16:20

Man with No Name (Wu ming zhe, 97 min., 2009, ohne Sprache)
12:45 – 14:30
16:35 – 18:00

Mrs. Fang verfolgt die letzten zehn Tage im Leben der chinesischen Bäuerin Fang Xiuying, einer 68-jährigen Frau, die an Alzheimer erkrankt ist. Sie kehrt zum Sterben in ihren kleinen Heimatort am Flussufer in der südöstlichen Provinz Zhejiang zurück. Dort liegt sie, umgeben von ihrer Familie, von Verwandten und Freunden. Bing zeigt das Leben der Leute, wie sie in der Nacht mit Stromstangen fischen gehen, den Alltag bewältigen, sich um die alte Frau kümmern und über sie und ihr Leben diskutieren. Wie selten im Film und in der Kunst werden hier Alltag und Tod mit solch grosser Zuneigung und Unerbittlichkeit gezeigt. Gerade das aber macht Mrs. Fang so aussergewöhnlich.

Man with No Name zeigt einen Mann, den Bing während den Vorbereitungen für seinen ersten Spielfilm in einem Landstrich ausserhalb von Peking entdeckt hat. Dieser namenlose Mann lebt buchstäblich im Untergrund, das heisst, er haust in Erdlöchern und führt ein Leben in Autarkie. Wang begleitet ihn durch die vier Jahreszeiten hindurch. Nichts und alles passiert, jede Geste ist eine Art Monument, niemand spricht, aber es ist kein Stummfilm – Geräusche sind alles. Daraus ergibt sich ein aussergewöhnliches Porträt, welches nur über Geduld zu haben ist.

Wang Bing, 1967 geboren, lebt und arbeitet in Bejing.

HEJI SHIN

Heji Shin ist eine New York lebende, deutsch-koreanische Fotografin. Sie arbeitet für kommerzielle Projekte wie Fashionshootings, als auch für die nicht weniger kommerzielle Kunstwelt. Shin wurde unter anderem für ihre Aufnahmen im Auftrag des amerikanische Modelabels Eckhaus Latta bekannt, aber auch für Make Love, ein viel diskutiertes Aufklärungsbuch für Teenager sowie für die Bildzyklen #lonelygirl und Babies.

#lonelygirl (2016) zeigt die Äffin Jeany wie sie mit grosser Selbstverständlichkeit einen Dildo untersucht, wie sie liebevoll Geldscheine zählt oder ihren Hintern in Szene setzen lässt. Auf formaler Ebene spielen die Aufnahmen mit der Sprache der Modefotografie. Posieren, starkes Ausleuchten und andere visuelle Rhetoriken inszenieren hier Natur als Fashion. #lonelygirl, der Titel der Serie, bezieht sich auf Selfies von jungen Frauen, welche sich in den sozialen Medien über diesen Hashtag als einsame Verlorene und gleichzeitig selbstbewusste Femmes fatales in Szene setzen. #lonelygirl ist somit eine Hommage an das Selfie als eine global verbreitete Form von triebhaft-tierischer Selbstanpreisung. Je nach Perspektive kann die Serie zudem als Abrechnung mit der Eitelkeit verstanden werden, als Untersuchung zu zeitgenössischen Bildsprachen, als sympatisch-verspieltes Portrait einer Affendame und als Beitrag zur Frage, wie die Welt durch die Augen einer Äffin aussehen würde.

Die Serie Babies (2017) zeigt Aufnahmen von Neugeborenen im Moment, in dem sie zur Welt kommen. Es sind eindrückliche Bilder, in denen sich völlige Normalität mit absoluter Aussergewöhnlichkeit paart und in denen sich das Millionenfache mit dem Einzigartigen verbindet. Denn es gibt kaum etwas Wertvollers und gleichzeitig Alltäglicheres als eine Geburt. Sie ist der Anfang vom Ende, alle haben sie erlebt und niemand erinnert sich daran. Wie dieser überaus intime Moment sich hier mit grösster Selbstverständlichkeit präsentiert, das ist das Unvergessliche und Verstörende dieser Bilder.

Heji Shins Fotografie stellt sich aus unterschiedlichen Blickrichtungen und mit grosser Unverfrorenheit der Frage der Intimität. Im Zentrum von Intimität steht immer das Vertrauen, und dieses ist heute auf allen Ebenen erschüttert (Stichwort Fake News, Datenmissbrauch, Zweifel an Experten usw.). Die Intimität jedoch funktioniert als Scharnier zwischen unserem Körper und der Öffentlichkeit, sie schützt und gibt preis. Sie ist von entscheidender Wichtigkeit und von grösster Brisanz, denn mit den sozialen Medien wird sie zur Zeit völlig neu verhandelt. Sie ist zum globalen Schlachtfeld geworden und zum Ort tiefer Verwerfungen und Verwirrungen. Einmal mehr stehen wir somit vor der Aufgabe des „difficult business of intimacy“ (Virginia Woolf), also die komplexe Frage der Intimität grundsätzlich neu anzugehen. Dorthin zielt Shins Bildproduktion, denn das ist die Bedeutung ihrer Fotografie: Sie fordert ein, dass wir uns dieser Aufgabe stellen. Gleichzeitig tut sie dies in einer Art und Weise, als wäre alles halb so wild, als wäre es ihr egal. Genau aber darin liegt die Qualität und die Provokation dieser Arbeit: wie unaufgeregt sie das Aufregende zeigt.

Die Ausstellung in der Kunsthalle Zürich ist Heji Shins erste institutionelle Ausstellung.

Geschrieben von Zero Zurich