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Ein Gespräch mit den Gründern und Kodirektoren des Zurich Film Festival

Nadja Schildknecht und Karl Spoerri

Geschrieben von Zero Zurich il 1 Oktober 2017
Aggiornato il 2 November 2017

Seit seiner Gründung 2005 hat sich das Zurich Film Festival (ZFF) zu einem der wichtigen Treffpunkte der internationalen Filmbranche entwickelt. Ziel des Festivals ist die Förderung neuer internationaler Regietalente, die mit ihren Arbeiten am Wettbewerb um die «Goldenen Augen» teilnehmen können. Ausserdem präsentieren etablierte Filmemacher und Filmschaffende ihre neusten Arbeiten am ZFF, darunter zahlreiche Stars des internationalen Kinos. Ein vielfältiges, hochkarätiges Rahmenprogramm mit u. a. der Zurich Master Class und dem internationalen Zurich Summit – der führenden Plattform der Kreativwirtschaft – sorgt zusätzlich dafür, dass sich Jahr für Jahr immer mehr grosse Namen des Filmgeschäfts und ein wachsendes, kinobegeistertes Publikum in Zürich einfinden.

Nadja Schildknecht und Karl Spoerri sind die Kodirektoren des Festivals: Die 44-jährige Unternehmerin hat die Geschäftsführung inne und ist zusätzlich für den Event, das Sponsoring / Marketing und die Finanzen zuständig. Der ebenfalls 44-jährige Karl Spoerri fungiert als Künstlerischer und Strategischer Leiter.

Das 13. Zurich Film Festival fand vom 28. September bis 8. Oktober 2017 statt. www.zff.com

Ein Gespräch mit den Gründern und Kodirektoren des Zurich Film Festival – Nadja Schildknecht und Karl Spoerri.

Gab es in diesem elf tägigen Feuerwerk an Highlights auch ein persönliches?

Nadja Schildknecht:

Als wir am letzten Tag zurückblicken und sagen konnten «Gott sei Dank ist von den über 100 Events das meiste so gut gelaufen, dass Publikum, Gäste und Stars glücklich waren.» Auch wenn wir bei der Organisation unser Bestes geben, es braucht zusätzlich so viel rundherum, dass alles funktioniert, dass das gute Ende für uns ein Höhepunkt ist.

Karl Spoerri:

Deshalb war auch das phantastische Wetter ein absolutes
Highlight, die Atmosphäre war entspannt, die Stimmung hatte etwas von Ferien. Dann die tollen Begegnungen mit den Filmemachern, die wir hatten. Und es ist immer schön, zu sehen, wenn Filme, die bei uns liefen, dann im Anschluss auch erfolgreich sind.

Nadja Schildknecht:

Diese entspannte Grundstimmung des ZFF trägt sicher auch dazu bei, dass sich die Stars hier ganz locker zeigen. Die Celebrities werden hier nicht einfach von den Leuten «angefallen», und diese Zurückhaltung macht Zürich eben auch so besonders.

Sie haben das ZFF 2005 gegründet. Wie muss man sich das vorstellen, Sie wachen eines Morgens auf und denken: «Ein Filmfestival in Zürich wäre doch eigentlich auch noch ganz nett»?

Karl Spoerri:

Dramaturgisch gesehen wäre es ja schön, aber es gab nicht diesen einen erleuchtenden Moment. Was es aber gab, das war das Digitalfilm-Festival «onedotzero», das wir mit dem Regisseur Tim Geser 2004 von London nach Zürich geholt hatten. Damit waren wir ziemlich erfolgreich, die Arbeit hat Spass gemacht. Und wir haben dabei festgestellt, dass sich die Stadt und das, was sie bietet, ja eigentlich gut nutzen lassen würde, um ein eigenes Festival zu etablieren.

Nadja Schildknecht:

Und die 3’000 Besucher in zweieinhalb Tagen waren ja auch ein Indikator, dass es eine Nachfrage gab. Wir haben dann mal angefangen, zu recherchieren. Aber sehr viel ist auch relativ naiv an einem Tisch entstanden, aus Ideen, die wir mit Begeisterung und Leidenschaft immer weiterentwickelt haben. Damit kam eine Dynamik in das Ganze. Irgendwann haben wir realisiert, dass wir jetzt wirklich auf diesem Weg sind, ein richtiges Filmfestival zu organisieren. Und haben dann auch erst herausgefunden, was das überhaupt heisst.

Was haben Sie denn an der Festival-Location Zürich so überzeugt, dass Sie sich auf das Abenteuer eingelassen haben?

Karl Spoerri:

Ich fand die Städte und Locations anderer Festivals, die ich besucht hatte, viel schlechter und hab mich immer gewundert, dass es so etwas in Zürich nicht gab, obwohl die Stadt alles Wesentliche zu bieten hatte – ein kultur- und filmaffines Publikum, grosse Unternehmen, die Interesse hatten, so etwas zu unterstützen. Vor allem besitzt Zürich die für ein Festival entscheidende Infrastruktur, die sich in den letzten 12 Jahren mit dem neuen Sechseläutenplatz, dem erweiterten Flughafen, dem neu eröffneten Dolder Grand und Sihlcity sogar noch verbessert hat.

Die ZFF-Premiere 2005 war ja dann gleich ein richtiger Publikumserfolg …

Nadja Schildknecht:

Ja, das war sie. Aber ich werde dieses erste Mal noch aus einem anderen Grund wohl nie vergessen. Wir hatten das Corso dazu bewegen können, wenigstens die Eröffnung dort durchzuführen, wir hatten das Kino damals ja noch nicht für uns. Und ich hatte alle meine Leute, die ich irgendwie nur ansatzweise gekannt habe und die ein bisschen prominent waren, angeschrieben, dabei zu sein, denn wir wollten ja ein richtiges Festival inklusive Red Carpet feiern. Das hat auch alles super funktioniert und am nächsten Tag sollte dann unser Festivalzelt eröffnet werden, das wir aufgebaut hatten. Da bekomme ich an diesem ersten Abend Bescheid von der Feuerpolizei, dass das Zelt nicht eröffnet werden kann, wenn ich nicht einen Teil noch einmal neu bauen lasse, weil er nicht der gesetzlichen Norm entsprach. Wunderbar: Das Festival war eröffnet, und ab dem Mittag des folgenden Tages sollte dieses Zelt, das wir über Nacht grösstenteils ab- und wieder neu aufbauen mussten, die Location des gesamten Festivals sein. Meinen Nerven ging es in diesem Moment nicht so gut. Wir haben es hinbekommen, aber wirklich in letzter Sekunde, der Schweiss auf meiner Stirn war noch nicht trocken, trotzdem lief alles gut und die Besucher merkten nichts davon. Die Skepsis von Branche und Presse war im Vorfeld recht gross …

Karl Spoerri:

Verständlicherweise, wenn da etwas Neues entsteht und man die Macher nicht wirklich kennt. Andererseits wird in der Schweiz generell nicht gerne ausprobiert und etwas gewagt. Und dann gab es natürlich eine arrivierte Kulturbranche der Schweizer Festivalstädte Locarno und Solothurn. Und diese Leute dachten, was das denn soll, jetzt auch noch in Zürich ein Festival zu veranstalten, man kennt die Macher nicht, was wollen die eigentlich, die können das doch gar nicht, die sind doch gar nicht entsprechend vernetzt. Und wir sind sicher mit einer gewissen Naivität gestartet. Aber das ist manchmal ganz gut so, man muss dann einfach ein bisschen zäh sein, schnell lernen und darf denselben Fehler nie zweimal machen.

Gab es dann irgendwann diesen Moment, in dem Sie wussten, dass Sie es geschafft hatten, dass Sie eine gute Reiseflughöhe erreicht hatten mit dem ZFF?

Nadja Schildknecht:

Als plötzlich statt der Frage, was das eigentlich soll, dieser Respekt da war und es viel Lob gab. Was aber an der Grösse der Herausforderung nichts geändert hat, dieses Festival zu stemmen. Jetzt haben wir keinen Anfängerbonus mehr und mit jedem erfolgreichen Jahr steigt die Erwartungshaltung und mit ihr der Druck. Was wir aber de facto geschafft haben: gemeinsam ein Unternehmen mit grossartigen Mitarbeitern aufzubauen, die sich wie wir mit ihrem ganzen Know-how dem ZFF verschrieben haben. Aber so schön das ist, ausruhen geht nicht, dazu haben wir keine Zeit.

Karl Spoerri:

Man merkt plötzlich, dass viele Leute mit unserem Festival rechnen, es für ihre beruflichen Projekte nutzen. Es hat mittlerweile einen eigenen Wert, eine eigene Bedeutung entwickelt und ist zu einer festen Grösse geworden.

Letztes Jahr standen internationale Stars wie Ewan McGregor, Uma Thurman, Hugh Grant und Oliver Stone auf der Gästeliste des ZFF. Wer oder was entscheidet darüber, wen Sie in Zürich als Ihren Gast begrüssen?

Karl Spoerri:

Es beginnt eigentlich immer alles mit einem Film. Wir bekommen am Anfang des Jahres eine Liste mit all den Filmen, die bis zum Zeitpunkt des Festivals fertig sein können. Diese Liste bearbeiten wir kontinuierlich das ganze Jahr über, wir haken nach, ob es Neuigkeiten gibt, wann wir uns den Film ansehen können etc. Wenn die ehemals sehr umfangreiche Liste auf eine realistische Anzahl von Möglichkeiten reduziert ist, geht es darum abzuklären, welche Regisseure und Darsteller für einen Film nach Zürich reisen könnten. Dazu verhandeln wir mit World Sales, also den Filmverkäufern, den Verleihern oder den grossen Studios. Persönliche Kontakte zu Managern und PR-Leuten helfen da jeweils sehr. Und so lassen wir über viele Wochen nicht locker, spannende Leute zu gewinnen. Am Schluss muss man immer auch ein wenig Glück haben, vieles ist eine Frage des Timings, manches, das gut aussieht, klappt dann doch nicht, anderes, mit dem man gar nicht rechnet, ist dann möglich.

Das Kino ist schon mehrfach totgesagt worden, erst angesichts des aufkommenden Fernsehens, dann waren es die Videoverleihe, heute muss man dank Download und Netflix eigentlich überhaupt nicht mehr ins Kino für einen guten Film.

Nadja Schildknecht:

Wenn man mal genau hinschaut, dann stellt man fest, dass Kino nicht gleich Kino ist. In Asien beispielsweise ist es total en vogue, ins Kino zu gehen, die Filmtheater erleben hier ein grosses Wachstum, weil die immer grösser werdende Mittelschicht dieses Freizeitvergnügen für sich entdeckt hat. Und in den USA läuft es auch gut. Einzig in Europa kriselt es etwas. Aber generell geht es dem Film nicht schlecht, und Netflix und Amazon tragen einen wichtigen Beitrag zur cineastischen Vielfalt bei.

Wie wird es mit dem ZFF langfristig weitergehen, wollen Sie noch grösser werden, mit einem noch reichhaltigeren Programm noch mehr Publikum und internationale Gäste an das Festival locken?

Karl Spoerri:

Ohne dass wir von Jahr zu Jahr immer ganz grosse Schritte machen, entwickelt sich das ZFF jedes Mal weiter. Wir arbeiten an einzelnen Punkten, drehen an jedem Rad etwas weiter, versuchen alles zu optimieren.

Nadja Schildknecht:

Wir wollen organisch wachsen, versuchen, uns stetig weiterzuentwickeln, manchmal sind die Schritte gross, manchmal kleiner, wichtig ist einfach, dass man nie stehen bleibt.