Die Galerie Eva Presenhuber, Waldmannstrasse, Zürich, freut sich, mit Goodnight Light die erste Einzelausstellung der New Yorker Künstlerin Amy Feldman in Zürich zu präsentieren. Goodnight Light lehnt sich an Feldmans letzte Ausstellung Mothercolor an, die im vorherigen Jahr in der New Yorker Dependance stattfand. Gezeigt werden graue Malereien unterschiedlichen Formats, die ihre einzigartige Bildsprache unterstreichen, Siebdruckelemente sowie die mit dicker Farbe aufgetragenen Fingerabdrücke der Künstlerin. Diese neuartige taktile Ergänzung, ein akuter Eingriff durch die Hand, kennzeichnet das Duell der Künstlerin mit den physischen und formalen Aspekten der abstrakten Malerei.
Die Bildflächen von Feldmans jüngsten Arbeiten sind vergrösserte und übertriebene Faksimiles roher Leinwand über unberührten grauen Feldern. In dieser Präsentation verwendet Feldman einen Moiré-Effekt innerhalb ihrer gedruckten Felder. Der Moiré-Effekt, der als eine weitere neue Richtung auftaucht, fördert Feldmans Beziehung zu Tonalitäten sowie ihr Gespräch mit dem Betrachter. Diese Färbung der Oberflächen, die den Gemälden einen widerhallenden, fast quecksilbrigen Schimmer verleiht, ist Ausdruck einer Erkundung von Lichteinstrahlung und gleichermassen einer Abwesenheit des Lichts. “Auf den ersten Blick bemerkt der Betrachter den bedruckten Untergrund womöglich nicht und nimmt an, dass meinen Bildern eine unbearbeitete Oberfläche zugrunde liegt”, meint Feldman. “Die Illusion entsteht dann, wenn man das Werk aus der Nähe betrachtet. Mich reizt dieser Moment, wenn der Zweifel des Betrachters sich auflöst und der Betrachter seine eigene Fähigkeit erkennt, Fiktion als Tatsache zu akzeptieren.” Die Künstlerin begründet diese Interaktion mit “einem Moment der Instabilität, in dem der Begriff der Wahrheit subjektiv erscheint – sich grau anfühlt.”
Trotz des sukzessiven Rückzugs der Künstlerhand aus der Kunstschaffung widmet sich Feldman der tieferen Ergründung der Taktilität der Malerei, insbesondere des Mediums Leinwand. Durch mehrfaches Auftragen von Farbe im Siebdruckverfahren werden verschiedene Texturen der blanken Leinwand eingehüllt und deren gewebte Körperlichkeit auf graue Felder übertragen. Während der Prozess für das Auge ein teilweise rätselhaftes Element bleibt, wird die körperliche Präsenz der Leinwand nie beeinträchtigt, sondern sogar als integraler Bestandteil des fertigen Werks hervorgehoben. Die Einbeziehung von Farbe, die von bloßer Hand aufgetragen wurde, ermöglicht eine solche Rückbesinnung auf die Materialität der Malerei. Feldmans Fingerspuren – eine Form der Identität, des Charakters, der Wärme und der Urheberschaft – verweist auf den Weg des Kunstschaffens, der so weit zurückreicht wie die mit Fingerspitzen gezeichneten Höhlenmalereien.
Der Titel der Ausstellung umreisst Feldmans Hinterfragen des Dazwischens und der Dauerhaftigkeit. Goodnight Light ist sowohl ein Abschied als auch eine Begrüssung, ein Loslassen und eine Kontraktion und in herrlicher Weise, eine Akzeptanz der nächtlichen Dunkelheit und ein Wissen um die Rückkehr des Lichts. Die Nacht ist für Feldman eine tägliche Periode der Produktion und Ausdruck der Finsternis: sie steht für Feldman in enger Verbindung zu ihren Schlüsselthemen, der Flüchtigkeit der Formen und dem kontinuierlichen Fluss der Dinge. Ähnlich wie die vermeintlich binäre Natur von Nacht und Licht ist auch die Dualität von Anspannung und Befreiung in der malerischen Dynamik enthalten. An der Schwelle zur Auflösung scheinen die Formen zu einer Spannung verdichtet zu sein – und auf der anderen Seite grenzt ihre schwebende Leichtigkeit beinahe an eine Ummantelung. Wie ein Kopf, der in die Luft emporschwingt oder ein Körper, der dem Licht entgegeneilt, bleibt die Erwartung eines “Werdens” in Feldmans Welt in der Schwebe.
In Aura Storm bilden zwei wolkenartige Formen einen vertikalen Rahmen für eine hellgraue Masse, deren Ränder in einer pixelartigen Geometrie dargestellt sind. Ihre vollkommene aufrechte Symmetrie wird durch linienförmige Verwischungen von mit Hand aufgetragener Farbe in Frage gestellt. Als Sekundenabbild und eines menschlichen Drangs widerstehen die Linien dem vergänglichen Moment mit der alchemistischen Realität der Acrylfarbe. Der satirische Unterton der Künstlerin zeigt sich in Blob Throb mit einem pastosen Klecks weisser Farbe – den Feldman als Meringue bezeichnet – der sich aus der linken unteren Ecke einer anderen scheinbar symmetrischen Inszenierung von bauchigen, unregelmässigen Linien und dem Kampf zwischen weissen und grauen Lavierungen hervorhebt. Dieser wolkenartige Klecks birgt Dualitäten und ist zugleich Unterbrecher und Ornament, Weichheit und Starrheit sowie Zeitlichkeit und Augenblicklichkeit.
Mit dem Körper – sei es mit ihrem eigenen als kreative Schöpferin oder mit einem allegorischen, der in den Formen der Malereien verkörpert ist – bietet Feldman ein entscheidendendes Stichwort für ihre Ausrichtung. Von einem charakteristischen Motiv, das sich als darmförmig bezeichnen lässt, bis hin zu anderen organischen – fast atmenden – Mustern, leitet sich Feldmans visuelle Sprache von der autonomen Formbarkeit und der wechselseitigen Abhängigkeit des Körpers ab. Das Wiederaufgreifen bestimmter Formen in verschiedenen Malereien erzeugt eine erbliche Struktur in ihrem künstlerischen Werk, die ein Gefühl von Vertrautheit und Fortbestand vermittelt. Im Zusammenspiel zwischen dem Physischen und dem Psychischen verkörpern sie die künstlerische Topologie, die beide Autonomien miteinander verbindet. “Sie sind ein Abdruck, ein Nachbild, so wie wenn man sich versehentlich schneidet und der Schmerz noch lange danach pocht”, beschreibt sie ihre Formen. “Künstler absorbieren ständig Energie, und dieses Pochen schlägt sich im Werk nieder – es ist eine Äusserung der Erfahrung, dessen, was die Welt mit sich bringt.”
Von der visuellen Übersättigung im Internet bis hin zur Technik, die ihre eigenen ästhetischen Kodierungen – Störungen, Pixel oder Unschärfen – preisgibt, provoziert das Versprechen der Abstraktion nach wie vor Feldmans jahrzehntelange Beziehung zur Leinwand. Die Transformation auf dem Weg dorthin ist an die Notwendigkeit und die Möglichkeit von Grundformen wie Kugeln, Krümmungen, Strichen oder Zickzacklinien gekoppelt, während die Verbreitung des Lichts von der Schnelligkeit überschattet wird, mit der Informationen verbreitet und die Aufmerksamkeitsspannen verkürzt werden. In einer solchen Landschaft der visuellen Fülle – oder des Chaos, wenn man so will – versuchen Feldmans eindringliche graue und weisse Abstraktionen, die zahlenmässige Hegemonie der Zeit zu erschweren, indem sie ihren Verlauf als eine formbare Ordnung anstatt als eine starre Abfolge darstellen.
Osman Can Yerebakan
Amy Feldman wurde 1981 in New Windsor, New York, USA geboren und lebt und arbeitet in New York, USA. Feldman erhielt ihren Bachelor of Fine Arts an der Rhode Island School of Design, Providence, Rhode Island, USA (2003); und ihren Master of Fine Arts an der Rutgers University, New Brunswick, New Jersey, USA (2008).
Written by Zero Zurich